Technikethik ist ein Teilgebiet der sogenannten angewandten Ethik. Sie befasst sich mit allen ethischen Fragen, die aus der Entwicklung und der Nutzung technischer Geräte und Verfahren erwachsen. Im Mittelpunkt technikethischer Diskussionen stehen meist die individuellen, sozialen und kulturellen Folgen der Anwendung einer bestimmten Technik. Abhängig von der Art der Technik gibt es starke Überschneidungen mit der Bioethik, Medienethik und Umweltethik. Da technische Prozesse inzwischen das gesamte Leben moderner Gesellschaften durchdringen, hat die Technikethik häufig auch wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenhänge zu berücksichtigen. Darüber hinaus wird in der Technikethik wie in kaum einer anderen Bereichsethik darüber nachgedacht, ob die ethischen Fragen eng auf eine jeweilige Anwendung bezogen werden sollen, oder ob vielmehr stets der (gesamte) soziale Kontext mitberücksichtigt werden muss.
Ingenieur*innen nehmen Ethik oft noch als Blockade oder aber belangloses Kaffeehausgerede wahr. Demgegenüber ist zu betonen, dass Technikethik weder prinzipiell Mauern errichten will noch eine schöngeistige Verzierung harter Realitäten darstellt. Vielmehr wird in ihr über die Frage nachgedacht, ob und wie Technik in die jeweilige Gesellschaft und ihre Wert- und Zielvorstellungen passt.

    Basisinformationen

    Vor der Klärung konkreter technikethischer Fragen stehen Beteiligte einer Debatte oft vor einer Reihe theoretischer Grundsatzfragen:


    a. Was meint man mit dem Begriff "Technik"?

    Er kann sich erstens auf Gegenstände wie Werkzeuge oder Maschinen beziehen. Zweitens können damit auch die Prozesse, Verfahren und Organisationen gemeint sein, die mit technischen Geräten verbunden sind, also das System der Technik. Drittens ist es eine Bezeichnung für alle regelbasierten Handlungen von Menschen bezeichnet werden (z.B. das Schreiben). In der Technikethik hat sich zumeist die zweite Variante durchgesetzt. Danach geht es um alle mit einer bestimmten Technik verbundenen Zusammenhänge (z.B. auch die Straßenverkehrsordnung mit Blick auf das Automobil).


    b. Ist Technik nicht an sich wertfrei?

    Diese noch heute nicht nur in Ingenieurskreisen verbreitete Auffassung wird in der Diskussion inzwischen als falsch beurteilt. Dies hat mehrere Gründe: Erstens sind die meisten technischen Geräte in normativer Hinsicht ambivalent, aber nicht wertfrei. Das Messer (oft das Paradebeispiel) lässt sich zum Brotschneiden und zum Töten benutzen. Das eine ist eine positiv besetzte, das andere eine negativ bewertete Verwendung. In jedem Fall ist die Verwendung mit einem Wert verbunden. Aber hängt die Bewertung dann nicht allein an der Nutzung der Technik? Das tut sie ganz sicher. Davon unabhängig wird jedes technische Gerät mit einer bestimmten Zielvorstellung entwickelt. Darin ist stets ein bestimmter Wert angelegt. Die technikethische Fachdiskussion geht daher heute eher davon aus, dass technische Geräte eine je nach Zusammenhang unterschiedliche und z.T. sehr komplexe Wertstruktur aufweisen. Wertfrei sind sie jedoch nicht.


    c. Welche ethischen Ansätze eignen sich für die Technikethik?

    Das Spektrum möglicher Zugänge reicht von prinzipienorientierten (deontologischen) über wertethische Ansätze bis zu folgenorientierten (utilitaristischen) und diskursethischen Verfahren. Als ein ethisches Schlagwort hat sich zudem die "Verantwortung" etabliert. Alle genannten Zugänge haben Vor- und Nachteile, sodass sich in der praktischen Anwendung meist gemischte Ansätze finden.


    d. Wozu dient Technikethik?

    Gemeinhin wird die Funktion technikethischer Bemühungen darin gesehen, Nutzen und Risiken einer neuen Technik zu bestimmen. Diesem Anliegen folgte die Etablierung der Technikfolgenabschätzung in den 1970er Jahren. Institutionen aus Politik und Wirtschaft gehen in diesem Zusammenhang jedoch oft anderen Zielen nach. Während ökologisch ausgerichtete Positionen zumindest in der Vergangenheit Ethik als Instrument der Technikkritik genutzt haben, wünschen sich einige in Wirtschaft und Technik von der Technikethik die Herbeiführung von Technikakzeptanz in der Bevölkerung. Davon zu trennen sind noch einmal wissenschaftliche Interessen, die gegen vordergründige Praxisnähe betonen, dass die Technikethik der Klärung anthropologischer und soziologischer Zusammenhänge bedarf.
    Kritik an Technik gibt es seit der Antike, und gegenwärtige Fragen danach, ob der Mensch noch „Herr“ der Technik sei, wurden bereits vor 100 Jahren diskutiert (J. Van der Pot 1981). Erste Ansätze einer reflexiven Technikethik gingen von Ingenieursverbänden in den USA aus, die seit den 1930er Jahren Ethikrichtlinien entwarfen. Einen Boom erlebt die Technikethik aber erst Ende der 1970er Jahre (H. Jonas 1979). Nun wurde die aus den 1950er Jahren stammende These eines technologischen Imperativs (Heidegger 1953, Anders 1956, Ellul 1964) zunehmend infrage gestellt. Die Auffassung, dass sich die Technik unabhängig von menschlichen Entscheidungen gewissermaßen naturgesetzlich und unweigerlich auch gegen den Willen der Menschen durchsetze, wich der Auffassung von der Notwendigkeit der Steuerung technischer Entwicklungen. Ausgehend von den USA wurden dann in den 1980er Jahren Institutionen der Technikfolgenabschätzung geschaffen, und die Parlamente westlicher Demokratien setzten Kommissionen zur Bewertung einzelner Techniken ein (Kerntechnik, Gentechnik). Diese Bemühungen gingen einher mit Versuchen einer partizipativen Technikbewertung unter Beteiligung von Bürger*innen als technischen Laien. Auch wenn die Effektivität dieser Institutionen wiederholt hinterfragt wurde, dauern die Bemühungen zumindest im deutschsprachigen Raum an, die Einführung von neuen Techniken aus ethischer Perspektive begleiten zu lassen (gegenwärtig z.B. mit Blick auf die Künstliche Intelligenz).

    Ein wichtiger Ankerpunkt technikethischer Diskussionen ist das Konzept der Verantwortung. Es hat traditionelle Zugänge zur Ethik, wie die Pflicht oder die Tugend gerade in der Technikethik verdrängt. Denn es ermöglicht, nicht nur Individuen, sondern auch korporative Akteure zu berücksichtigen. Die meisten modernen Techniken sind in ihrer Entwicklung und Anwendung kaum noch einzelnen Menschen zuzuordnen. Zudem ermöglicht die Verantwortung wechselnde Zuschreibungen, sodass man nicht mehr von einem immer gültigen (naturrechtlich oder metaphysisch begründeten) Wertekosmos ausgehen muss. Gleichwohl stehen auch bei Verantwortungszuschreibungen Güter und Wertvorstellungen im Hintergrund.

    Anlass der meisten technikethischen Diskussionen sind reale oder vermeintliche Risiken, die mit der Einführung vor allem neuer Techniken verbunden sein können. Daher sind Begriff und Sache des "Risikos" wichtige Bezugspunkte. Hierbei muss differenziert werden. Für eine bestimmte Technik kann es zum einen das z.B. versicherungsmathematisch bestimmbare Risiko geben, das aus dem Produkt von Schadensausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit eines möglichen Ereignisses besteht. Zum anderen aber wird menschliches Verhalten zu einem bestimmten Risiko wesentlich von anderen Faktoren bestimmt. So tendieren wir etwa dazu, das Schadensausmaß höher zu gewichten; und wir neigen dazu, die Wahrscheinlichkeit eines potenziell gefährlichen Ereignisses gegen 1 oder 0 zu verschieben, d.h. wir dramatisieren oder verdrängen ein Risiko (Croyle 1995). Dies beeinflusst die öffentliche Debatte maßgeblich.

    Theologisch wurde das Thema Technik vor allem mit der Schöpfung verbunden. Konnte man die Technik im Mittelalter jedoch noch als Fortsetzung der Schöpfung denken, traten Technik und Schöpfung seit dem 18. Jahrhundert zunehmend auseinander, bis sie im 20. Jahrhundert als Gegensatz wahrgenommen wurden. Die Evangelische Kirche und Theologie in Deutschland sind in ihren Verlautbarungen seit den 1920er Jahren eher technikskeptisch eingestellt. Ausnahmen wie Hanns Lilje (H. Lilje 1928) ändern den Befund nicht. Umfassende Stellungnahmen zur Technikethik gibt es seitens der EKD und ihrer Gliedkirchen nicht, wohl aber zahlreiche Äußerungen zu einzelnen Techniken, vor allem aus dem biomedizinischen Bereich. Erst seit den 2000er Jahren gibt es im deutschsprachigen Raum breitere theologische Ansätze einer differenzierten Wahrnehmung der Technik durch z.T. auch ingenieurwissenschaftlich ausgebildete Theologen (R. Charbonnier, F. Vogelsang). An die Stelle der Schöpfung als abstraktem Gegensatz zur Technik traten andere Kategorien als theologische Leitlinien technikethischer Erwägungen. Vor allem "Freiheit" und Verantwortung erweisen sich dabei als hilfreiche Kriterien zur Unterscheidung menschendienlicher und menschenfeindlicher Aspekte der Technik (T. Rendtorff, E. Gräb-Schmidt).

    Ziel einer (evangelischen) Technikethik muss es sein, möglichst viele Aspekte und Folgen einer neuen Technik für Anwender*innen und Betroffene wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Dazu bedarf es einer (verschiedene Disziplinen) integrierenden Betrachtung.

    a. Grundlegende Informationen

    Jede mögliche Antwort auf die Frage, was Technik überhaupt sei, hat Einfluss auf die ethischen Konsequenzen, die man zieht. Bezieht man nur Werkzeuge und Maschinen ein (Realtechnik), folgt daraus in der Regel ein utilitaristisches Kalkül zur Nutzen-Schadensabwägung des Einsatzes einer konkreten Technik. Eine solche Wahrnehmung der Technik trug bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wesentlich zu nahezu fatalistischen Positionen bei, die den technischen Fortschritt für unsteuerbar hielten. Eine solch skeptische Position vertrat Martin Heidegger (Die Technik und die Kehre, 1953). Im Gegensatz zu traditioneller Technik sei die moderne Technik dadurch gekennzeichnet, dass sie das Denken der Menschen bestimme und alles, womit sie in Berührung trete, unentrinnbar auf ihre eigenen Zwecke hin ausrichte (das "Ge-stell"). Kaum eine Technikphilosophie kommt bis heute an einer Auseinandersetzung mit Heideggers Gedanken vorbei. Für die Technikethik spielt der Entwurf heute eine eher untergeordnete Rolle. Erst die Erkenntnis, dass Technik untrennbar von sozialen und kulturellen (sowie religiösen) Rahmenbedingungen ist, führte in den 1980er Jahren zu optimistischeren Positionen. Die Technikgeneseforschung (im angelsächsischen Bereich: Science and Technology Studies – STS) konnte an vielen Beispielen zeigen, wie der Erfolg oder Misserfolg technischer Innovationen z.B. an politischen, wirtschaftlichen oder kontingenten individuellen Faktoren hängt (eine Übesicht bei Weyer 2008, Kap. 8). Dies eröffnet dann eine Reihe von Eingriffsmöglichkeiten jenseits eines ingenieurwissenschaftlichen Zugangs (etwa durch politische oder ökonomische Rahmenbedingungen). So wäre es beispielsweise unter weniger hierarchisch strukturierten Arbeitsbedingungen eher nicht zum Reaktorunfall in Tschernobyl gekommen. Und geringere ökonomische Prioritäten hätten die Challengerkatastrophe verhindern können. Davon unberührt bleibt, dass selbstverständlich auch die Techniken an sich durch Werte bestimmt sind. So wird jede Technik mit einer bestimmten (normativ geladenen) Zielvorstellung entwickelt und bringt in ihrer Konstruktion unterschiedliche Möglichkeiten des Gebrauchs und eventuelle Risiken mit sich. So wurde die Schreibmaschine entwickelt, um blinden Menschen das Schreiben zu ermöglichen. Dass sie die gesamte Welt der Schriftproduktion bis heute revolutionieren und einen völlig neuen Berufsstand schaffen würde, war zum Zeitpunkt ihrer Erfindung nicht absehbar. Dennoch "birgt" die Schreibmaschine alle diese Möglichkeiten in sich.

    Einige Fragen, die den interdisziplinären Technikdiskurs und öffentliche Debatten bestimmen, spielen in der Fachdebatte eine eher untergeordnete Rolle. So geht niemand in der Ethik davon aus, dass Technik an sich wertfrei sei. Auch die öffentlich oft gestellte Frage, ob eine Technik nun wirklich neu sei oder nicht, wird so allgemein kaum je vertreten. Das hängt u.a. damit zusammen, dass solche Fragen meist bereits mit einem bestimmten normativen Interesse vorgebracht werden, und eine der jeweils möglichen Antworten ethische Erwägungen erübrigen soll. Für die These, dass Technik wertfrei sei, ist das offensichtlich. Aber auch die Auffassung, dass eine Technik (wie das Klonen) eigentlich nicht neu sei (sondern der klassischen Züchtung entspreche), will ethische Bedenken entkräften. Sachlich gesehen ist die Frage der Neuheit niemals einlinig zu entscheiden. Denn selbstverständlich birgt jede neue Technik sowohl vertraute als auch innovative Elemente. Ansonsten wäre sie überflüssig.

    Für die Fachwissenschaft wichtiger ist die Frage nach dem angemessenen ethischen Ansatz. Nahezu alle traditionellen ethischen Theorien werden in der Diskussion vertreten. Wirksam werden sie jedoch nicht alle gleichermaßen. Denn in der praktischen Anwendung (etwa in Berichten von Enquetekommissionen oder Ethikräten) werden meist Kriterien mittlerer Reichweite (Begriff von J. H. Oldham 1937; ausgeführt  u.a. von Beauchamp/Childress 1979) zugrunde gelegt und Techniken dann auf dieser Basis bewertet.

    Der frühere Gegensatz zwischen konsequentialistischen und deontologischen Argumentationen hat sich so z.T. aufgelöst, weil erkannt wurde, dass konkrete Entscheidungen (wie implizit auch immer) stets beide Aspekte in Anspruch nehmen. Seit Hans Jonas’ Buch "Das Prinzip Verantwortung" (1979) wurde dieses Stichwort zum Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen und öffentlicher Apelle. Gleichzeitig wurde jedoch deutlich, dass es sich um ein problematisches Prinzip handelt. Denn Verantwortung ergibt sich meist nicht von selbst, sondern sie muss zugeschrieben werden. Mit der zunehmenden Verlängerung der Handlungsketten (F.X. Kaufmann) wird diese Zuschreibung aber immer schwieriger.
     

    b. Rechtliche Positionen

    Für viele technikethische Probleme sind inzwischen rechtliche Regelungen geschaffen worden. Im engeren Sinne gilt dies schon lange. Denn Kataloge wie diejenigen der Deutschen Industrienorm (DIN) oder die Bestimmungen der ISO (International Organization for Standardization) stellen bereits technische Normierungen dar, die etwa im Bereich Sicherheit unmittelbar ethische Auswirkungen haben. Dezidiert ethischen Impulsen verdanken sich demgegenüber Gesetze wie das Atomgesetz (AtG, 1959), das Gentechnikgesetz (GenTG, 1990) oder jüngst der Entwurf für eine „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für Künstliche Intelligenz“ (Gesetz zur Künstlichen Intelligenz, 2021). Technikethische Diskussionen müssen solche Rahmenbedingungen berücksichtigen. Dabei wird bereits ihr Zustandekommen oft von intensiven ethischen Debatten (und Machtansprüchen unterschiedlicher Akteure) begleitet.
     

    c. Ethische Debatte

    Die oben skizzierten Unterschiede sowohl im Technikbegriff als auch im ethischen Zugang schlagen sich in der Behandlung konkreter Probleme vor allem in der Frage nieder, wie allgemein oder wie konkret man bestimmte technische Entwicklungen in den Blick nehmen und bewerten muss. So macht es einen großen Unterscheid, ob man die Gentechnik oder die Künstliche Intelligenz überhaupt betrachtet, oder konkrete einzelne Anwendungen bewerten möchte. Sachlogisch wird man zwar in der wissenschaftlichen Betrachtung einzelne Anwendungen nie aus ihrem Kontext lösen können, und daher stets auf allgemeine Aspekte stoßen. Pragmatisch muss jedoch eine Begrenzung eingezogen werden, um überhaupt ein Ergebnis erzielen zu können. Denn die Welt als Ganze lässt sich zwar auch unter ethischen Gesichtspunkten betrachten, aber die Zuständigkeit dafür haben die religiösen Traditionen nicht ohne Grund immer einer transzendenten Macht zugeordnet.

    Die Spannung zwischen allgemeinen und konkreten Aspekten schlägt noch auf so pragmatische Bemühungen wie die Technikfolgenabschätzung durch. Hier erscheint sie als Disput darüber, ob man eine Folgenabschätzung nur technikinduziert oder aber probleminduziert vornehmen soll. So kann man entweder danach fragen, wie Kernkraftwerke zu bewerten sind, oder danach, wie man einen bestimmten Energiebedarf bedient, oder aber diesen reduziert.

    Verantwortung als Kriterium nimmt in erster Linie menschliche Akteure in den Blick, fragt also nach Lösungen ethischer Probleme auf der Ebene des Handelns. Dabei steht die Technikethik stets vor dem Problem, technische Artefakte, menschliches Handeln und systemische Aspekte (z.B. Organisationen, Wirtschaftsformen etc.) gleichermaßen zu berücksichtigen. Eine diesbezüglich sehr wirkmächtige Theorie ist die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) (Latour 2005), die alle genannten Aspekte als "Akteure" in gegenseitiger Beeinflussung auffasst. Ergänzend dazu bemüht sich die Technikethik um die Festlegung von Kriterien, denen technisches Handeln entsprechen soll. Hierzu gehören etwa "Sicherheit" und "Fehlerfreundlichkeit", aber auch "Gerechtigkeit", die Einhaltung der "Menschenrechte" und "Nachhaltigkeit". Eine besondere Rolle spielen dabei sog. "mittlere Prinzipien", die einerseits ein allgemeines Interesse formulieren, aber gleichzeitig so konkret sind, dass sie sich zumindest teilweise operationalisieren lassen. Die aus dem angelsächsischen Bereich stammende Analytische Ethik hat im Bereich der Technikethik weniger Anhänger. Sie ist vor allem in der Bioethik prominent.
     

    d. Evangelische Positionierung

    Abgesehen von einzelnen Äußerungen von Theologen im 19. Jahrhundert stammt die erste ausführliche Betrachtung der Technik eines evangelischen Theologen aus dem Jahr 1928 (H. Lilje). Obwohl es sich nicht um eine Ethik im engeren Sinne handelt, geht es Lilje doch wesentlich um ethische Aspekte. Er verknüpft die Technik mit dem Gedanken der Schöpfung. Ethisch problematisch wird eine Technik nach Lilje vor allem, sobald sie ökonomisch genutzt wird. Obwohl Lilje bemüht ist, Technik nicht an sich negativ zu werten, kann sich die Evangelische Theologie in der Folge der in Deutschland vorherrschenden kulturkritischen Stimmung bei der Bewertung der Technik nicht entziehen. Nach dem zweiten Weltkrieg äußert sich vor allem H. Thielicke zur Technik (Thielicke 1964). Er verlegt den theologischen Anknüpfungspunkt in die Anthropologie und verbindet die Technik unter dem Eindruck der Atombombe mit der Sünde. Diese Verhältnisbestimmung taucht dann wieder in den Debatten um die Gentechnik der 1980er und 1990er Jahre auf. Technik wird überall dort als "Eingriff in die Schöpfung" wahrgenommen, wo sie in Bereiche vordringt, die bis dahin dem Handeln des Menschen entzogen waren (EKD 1991). Zum vorrangigen Bezugspunkt technikethischer Äußerungen der Evangelischen Kirche ist seitdem die Menschenwürde geworden, die stets mit der Gottebenbildlichkeit begründet wird. Demgegenüber betonen einzelne Theolog*innen, dass Technik ein Grunddatum menschlicher Existenz ist, und von daher ihre konkreten Anwendungen dahingehend geprüft werden müssen, ob sie tatsächlich menschendienlich sind und die dem Menschen zugesagte Freiheit erhalten oder einschränken. Im Blick auf das Gottesverhältnis des Menschen und seiner Technik sind daher eher Aspekte der Rechtfertigungstheologie und des Zusammenwirkens Gottes und der Menschen zu berücksichtigen.

    Eine evangelische Technikethik kann gleichzeitig jedoch nicht aus einzelnen dogmatischen Topoi gleichsam Top-down abgeleitet werden. Vielmehr muss sie jeweils neu fragen, welche Elemente eines evangelisch bestimmten Welt-, Gottes- und Menschenbildes sich auf die jeweilige technikethische Fragestellung beziehen lassen, um weiterführende Perspektiven zu eröffnen.

    Technikethische Diskussionen sind nicht immer einfach zu inszenieren. Auf jeden Fall lassen sie sich sinnvoll nur unter Einbeziehung der Perspektive technischer Expert*innen durchführen. Solche Debatten erfordern ein gewisses Maß an Vertrautheit mit dem Gegenstand, nicht zuletzt, weil es in ihnen immer auch um Fragen der (Deutungs-)Macht geht. Wer daher technikethische Diskussionen leitet, muss an vielen Stellen zwischen deskriptiven und normativen Aspekten von Äußerungen unterscheiden können.

    Die Kirche (und ihre Vertreter*innen) stehen dabei oft vor einem Dilemma. Einerseits werden sie von den unterschiedlichen Positionen aufgefordert, Stellung zu beziehen. Gleichzeitig werden ihre Äußerungen aber nur dann ernst genommen, wenn sie der eigenen Meinung entsprechen.

    Wenn technikethische Fragen als diskursiv zu lösende Probleme wahrgenommen werden, bieten sich in Schule und Gemeinde verschiedene Formen von Diskussionen oder Rollenspielen an. Auch lassen sich (spielerisch) Stellungnahmen verfassen.

    Wie auch in den meisten Stellungnahmen der EKD zu sozialethischen Fragen wird es zur einer Dreigliederung des Zugangs kommen:

    1. Klärung des Sachstandes
    2. Theologische Stellungnahme
    3. Folgerungen, Konsequenzen


    Wiederum wie in den meisten kirchlichen Stellungnahmen ist der eigentlich schwierige Punkt die theologische Stellungnahme. Denn oft wird nur nachträglich versucht, ein zuvor bereits gefälltes Urteil mit theologischen Argumenten zu stützen. Stattdessen müsste zunächst die Suche danach beginnen, welche theologischen Zusammenhänge überhaupt für das konkrete Thema aussagekräftig wären. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass in Kirche und Theologie oft dogmatische Topoi und entsprechende Schriftstellen aufgerufen werden. Kaum jedoch wird in den explizit der Ethik gewidmeten Teilen der Bibel, etwa den Weisheitsbüchern, nach Vergewisserung gesucht.

    Ob man sich als Pfarrperson in technikethischen Fragen eher als Vertreter*in einer bestimmten Position oder eher als Vermittler*in sieht, hängt vermutlich mehr von der eigenen Persönlichkeit und der Motivation zum Beruf ab als von der jeweiligen theologischen Ausbildung. Gleichwohl erwächst aus der nach wie vor geltenden Ausrichtung der Kirche auf die Gesamtbevölkerung eine gewisse Verantwortung, über die eigene Position und die Kerngemeinde hinauszudenken. In der Schule geht es ohnehin eher um die Befähigung der Schüler*innen zur je eigenen Urteilsbildung.


    b. Medien/Material: Filme, Bücher, PC-Spiele

    Als Diskussions- bzw. Arbeitsgrundlage bieten sich im Feld der Technikethik neben einschlägigen Texten, Zeitungs- und Magazinbeiträgen auch zahlreiche Filme an. Vor allem Science-Fiction-Filme setzen technische Entwicklungen spannend in Szene. Dabei bilden sie, was von Ingenieur*innen manchmal kritisiert wird, selbstverständlich nicht die Realität ab. Deshalb gehören sie zum Genre der "Fiction". Gleichwohl thematisieren sie zum einen die möglichen Folgen von technischen Entwicklungen und zum anderen Emotionen, die sich damit verbinden. Zudem werden in diesem Bereich auch zahlreiche Entwicklungen vorweggenommen, deren mediale Präsentation die Wahrnehmung und (ggf. Bewertung) der tatsächlichen Entwicklungen (mit)prägen. Diese Aspekte jeweils zu differenzieren, ist eine Aufgabe in der Arbeit mit solchen Materialien. Als Beispiele seien nur einige wenige Filme und Serien genannt: Filme: Blueprint (R.: Rolf Schübel 2003); Her (R.: Spike Jonze 2013); Ex Machina (R.: Alex Garland 2015); I Robot (R.: Alex Proyas 2004). Serien: Devs (R.: Alex Garland 2020 -); Real Humans (2012-2014).

    a. Verwendete und weiterführende Literatur

    i. Allgemeinverständlich

    Fenner, D.: Einführung in die Angewandte Ethik, Tübingen 2010.

    Ropohl, G.: Technikethik, in: Pieper, A. / Thurnherr, U. (Hg.): Angewandte Ethik. Eine Einführung, München 1998.
    Grunwald, A. (Hg.): Handbuch der Technikethik, Stuttgart 22021.
    Grunwald, A.: Technikethik, in: Lexikon der Bioethik, Gütersloh 1998, Bd. 3, 508–516.
    Kornwachs, K.: Philosophie der Technik. Eine Einführung, München 2013.
    Misselhorn, K.: Grundfragen der Maschinenethik, Stuttgart 2018.
     

    ii. Wissenschaftlich

    Anders, G.: Die Antiquiertheit des Menschen. Band I: Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution. C. H. Beck, München 1956.
    Anderson, M. / Anderson, S. L. (Hg.): Machine Ethics, Cambridge, UK 2011.
    Beauchamp, T / Childress, J.: Principles of Biomedical Ethics, Oxford 1979, 82019.
    Brock, B.: Christian Ethics in a Technological Age, Grand Rapids, MI / Cambridge, UK 2010.
    Charbonnier, R.: Technik und Theologie. Ein theologischer Beitrag zum interdisziplinären Technikdiskurs unter besonderer Berücksichtigung der Theologie F. D. E. Schleiermachers, Marburg 2003.
    Croyle, R. T.: Psychological Effects of Screening for Disease Prevention and Detection, Oxford 1955.
    Evangelische Kirche in Deutschland: Einverständnis mit der Schöpfung. Ein Beitrag zur ethischen Urteilsbildung im Blick auf die Gentechnik und ihre Anwendung bei Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren, Gütersloh 1991. Neuauflage 1997.
    Ellul, J.: The Technological Society, New York 1964.
    Floridi, L. (Hg.): Cambridge Handbook of Information and Computer Ethics, Cambridge, UK 2010.
    Gräb-Schmidt, E.: Der homo faber als homo religiosus. Zur anthropologischen Dimension der Technik, in: Neumeister, K. / Renger-Berka, P. / Schwarke, C.: Technik und Transzendenz. Zum Verhältnis von Technik, Religion und Gesellschaft, Stuttgart 2012, 39–55.
    Gräb-Schmidt, E.: Technikethik und ihre Fundamente. Dargestellt in Auseinandersetzung mit den technikethischen Ansätzen von Günter Ropohl und Walter Christoph Zimmerli, Berlin-New York 2002.
    Hansson, S.: The Ethics of Technology. Methods and Approaches, London-New York 2017.
    Häußling, R.: Techniksoziologie, Baden-Baden 2014.
    Heidegger, M.: Die Technik und die Kehre (1953), Stuttgart 2012.
    Herzfeld, N.: Technology and Religion. Remaining Human in a Co-created World, West Conshohocken, PA 2009.
    Hubig, Ch.: Die Kunst des Möglichen, 3 Bde., 2006–2015.
    Huizing, K.: Scham und Ehre. Eine theologische Ethik, Gütersloh 2016, 233–268.
    Japp, K.: Risiko, Bielefeld 2000.
    Jonas, H.: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technische Zivilisation, Frankfurt a. M. 1979.
    Latour, B.: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt a. M. 2005.
    Lilje, H.: Das technische Zeitalter. Versuch einer biblischen Deutung, Berlin 1928.
    Noble, D.: The Religion of Technology: The Divinity of Man and the Spirit of Invention, New York 1997.
    Pot, J. van der: Die Bewertung des technischen Fortschritts. Eine systematische Übersicht der Theorien, Assen 1985.
    Rendtorff, T.: Ethik. Grundelemente, Methodologie und Konkretionen einer ethischen Theologie, Tübingen 32011.
    Renn, O.: Risiko. Über den gesellschaftlichen Umgang mit Unsicherheit, München 2007.
    Sandler, R.: Ethics of Emergent Technologies, New York 2014.
    Schwarke, C.: Technik und Religion. Religiöse Deutungen und theologische Rezeption der Zweiten Industrialisierung in den USA und in Deutschland, Stuttgart 2014.
    Schwarke, C.: Technik und Theologie. Was ist der Gegenstand einer theologischen Technikethik? In: Zeitschrift für Evangelische Ethik 49 (2005), 88–104.
    Schwarke, C.: Ungleichheit und Freiheit. Ethische Fragen der Digitalisierung, in: Zeitschrift für Evangelische Ethik 61 (2017) 210–221.
    Thielicke, H.: Der Einzelne und der Apparat. Von der Freiheit des Menschen im technischen Zeitalter, Hamburg 1964.
    Vogelsang, F.: Ingenieurethik. Ein Ansatz aus theologischer Perspektive, Münster 1998.
    Weyer, J.: Techniksoziologie. Genese, Gestaltung und Steuerung sozio-technischer Systeme, Weinheim-München 2008.
       

    b. Predigt- und Unterrichtshilfen

    Kibor (Hg.): Mensch 4.0 – Maschine 4.0: Bausteine für den Religionsunterricht an beruflichen Schulen (RU praktisch – Berufliche Schulen), Göttingen 2020.
    Machbar. Amen. Religion und Technik, BRU. Magazin für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen 60 (2014).
    Platow, B.: Digitalisierung, Big Data, Künstliche Intelligenz als Themen der Theologie, in: Simojoki, H. / Rothgangel, M. / Körtner, U. (Hg.): Ethische Kernthemen: Lebensweltlich – theologisch-ethisch – didaktisch (Theologie für Lehrerinnen und Lehrer), Göttingen 2022, 85–95.

     

    c. Links

    https://material.rpi-virtuell.de/material/ich-bin-dein-mensch/ sowie weitere Materialien.

    Auf der Website der EKD zahlreiche Texte zu Themen mit technikethischen Aspekten, z.B. Evangelischer Religionsunterricht in der digitalen Welt: https://www.ekd.de/digitalisierung-religionsunterricht-71588.htm

    Deutscher Bundestag: Bericht der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale (28.10.2020).
    https://dserver.bundestag.de/btd/19/237/1923700.pdf

    Veröffentlicht am 28.07.2022 (Version 1.0).